Vortrag B6:

Stadtarchiv und Landesgeschichtliche Bibliothek Bielefeld – Daten werden Informationen, Wissen wird historische Bildung

Dr. Jochen Rath

Bielefelds unverwechselbares historisches Erbe bildet sich u.a. in vielseitigen Traditionen, prägenden Bauwerken, musealen Sammlungen und vor allem in der Überlieferung im Institut Stadtarchiv und Landesgeschichtliche Bibliothek ab. Gemeinsam bestimmen sie das individuelle kulturell-historische Erscheinungsbild Bielefelds, geben Profil und Konturen und schaffen die Grundlage für eine städtische Identität und für eine Identifizierung mit der Stadt.

Das Institut Stadtarchiv und Landesgeschichtliche Bibliothek bewahrt das historische Erbe der Stadt am Pass des Teutoburger Waldes in Gestalt von i. d. R. einzigartigem Kulturgut, den Archivalien auf, vermittelt es in der Gegenwart und gibt es in die Zukunft weiter. Es ist ein Ort erfahrbarer Stadtgeschichte, ist zentrales Gedächtnis und historischer Informationsspeicher der lokalen Gesellschaft: Urbanes und dörfliches Leben, politisches, wirtschaftliches, soziales und kulturelles Geschehen sind nur hier dauerhaft und komplex nachvollziehbar.

Nach einer Ersterwähnung des Stadtarchivs 1613, seitens der Regierung 1820 festgestellter Vernachlässigung („in bedeutender Unordnung“) und dem Verkauf großer Aktenmengen an Kleinhändler und Papiermühlen zuletzt 1856, übernahm der 1876 gegründete Historische Verein für die Grafschaft Ravensberg e.V. eine erste Erschließung der Dokumente. 1895 übergab der Verein diese Bestände an die Stadt Bielefeld; Archiv und Bibliothek wurden jedoch wie zuvor von den Vereinsmitgliedern betreut. Die Arbeit des Vorsitzenden Prof. Dr. Otto Nitzsch im Rathaus-Archiv bezeichnete die Vereinschronik 1901 als „wahres Martyrium”: „Was hier ´Archiv´ genannt wird, war in Wahrheit ein Bodenraum mit einem Chaos verstaubter Akten, welche dort in wirren Haufen von Zeiten irgend einer Umquartierung umherlagen.”

Seit 1974 residieren Stadtarchiv und Landesgeschichtliche Bibliothek in den ehemaligen Anker-Werken an der Rohrteichstraße. Etwa 40 Millionen Blatt Papier in Akten, 600 Urkunden ab dem Jahr 1240, über 60.000 Fotos, 5.000 Plakate, 7.000 Karten, Lokal- und Regionalzeitungen ab dem Beginn des 19. Jahrhunderts und mehr als 100.000 Bücher enthalten Informationen zur Geschichte Bielefelds, Ravensbergs und Westfalens. Anfang 2009 übernahm das Stadtarchiv insgesamt 1.590 Registerbände aus dem Standesamt und macht diese seit dem 2. Februar 2009 bereits für Genealogen zugänglich – und ist damit führend gewesen in NRW.

In der Stadtverwaltung entstanden und entstehen im Rahmen der Aufgabenerledigung laufend Daten, die nicht dazu angelegt werden, Auskunft über die Vergangenheit zu geben. Sie sind zunächst Ausfluss der Verwaltungstätigkeit und werden von der Verwaltung für die aktuelle Aufgabenerledigung gebildet und befristet aufbewahrt. Das Stadtarchiv übernimmt anschließend aufgrund unabhängiger Entscheidung aus der Gesamtheit der Unterlagen – Akten, Urkunden, Pläne, Protokolle, Plakate, Fotos, Dateien – eine aussagekräftige Überlieferung und bereiten diese zu strukturierten und erschlossenen Informationen auf, die ausgewertet werden können. Mit der Auswertung der Archivalien durch das Institut selbst oder die Forschung, Wissenschaft, Interessierte, Schulen, Verwaltung entsteht ein nur an diesem Ort herstellbares Wissen, das gezielt und vielseitig eingesetzt werden kann, wertvoll und wirtschaftlich ist. Die Erkenntnisse können durch eigene Kulturveranstaltungen wie Ausstellungen, Publikationen, Vorträge, Projekte oder Angebote anderer veröffentlicht werden: Es entsteht für jedermann nutzbare Historische Bildung.


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