Vortrag A8

Soziale und technische Innovation - Biografisches und Genealogisches zu den Gründern der Heye Glashütten

Dr. Holger Zierdt

Der Familienname Heye ist mit der Geschichte der nord- und westdeutschen Glasindustrie seit dem 19. Jahrhundert untrennbar verbunden. Einer der unter diesem Aspekt bedeutendsten Vertreter der aus Quakenbrück stammenden Familie war Hermann Heye (1760-1827), der sich 1814 als Kaufmann in Bremen niedergelassen hat und dort 1821 eine Firma gründete, die weißes und grünes Hohlglas herstellte. 1823 wurde er Teilhaber der 1799 gegründeten Obernkirchener Glashütte bei Rinteln, die er 1842 vollständig übernahm. Hermann Heye wurde 1834 Bremer Eltermann (Vorsteher der Kaufleute) und 1849 erster Präses der Handelskammer Bremen. Zum Familienbesitz zählten später mehrere weitere Betriebe, u. a. die Glasfabriken Wendthöhe bei Stadthagen, Steinkrug bei Hannover, Nienburg an der Weser sowie die Glasfabrik Annahütte in der Niederlausitz und die dort ansässigen F. C. Th. Heye Braunkohlenwerke. Die Fabriken bestanden teilweise bis in die 1970er Jahre, Nachfolgeunternehmen existieren noch heute.

Ferdinand Heye (1837–1889), vierter und jüngster Sohn Hermann Heyes, ließ sich 1864 seinen Erbteil auszahlen und gründete in Düsseldorf-Gerresheim die weltbekannte Gerresheimer Glashütte. Neben wichtigen technischen Innovationen, wie der von ihm 1875 eingeführten einheitlichen Mineralwasserflasche mit Klebeetikett, welche die bis dahin genutzten Tonkrüge ablöste, zeichnete sich Heyes Schaffen vor allem durch weitblickendes soziales Handeln aus. Das Wohlergehen seiner aus ganz Deutschland und aus weiten Teilen Europas, vor allem Italien, heran geholten Arbeiter war ihm ein wichtiges Anliegen. Die Arbeiter genossen kostenfreie Unterkunft und auch Steuerfreiheit. Das Gerresheimer Stadtbild wird noch heute von den speziell errichteten Werkswohnungen geprägt, die u. a. einen fensterlosen Raum für die Tagesruhe der Nachtschichtarbeiter aufwiesen. Neben der seit 1867 finanzierten Betriebskrankenkasse und die Unfallversicherung führte er mit der "Versorgungskasse" war eine Art Rentenversicherung ein, und für die ehemaligen Angehörigen der Glasfabrik wurde mit dem "Ferdinandheim" eine weitere Alterssicherung geschaffen.

Mit der Einführung des von Friedrich Siemens entwickelten Verfahrens zur kontinuierlichen Glasschmelze konnte die Gerresheimer Glashütte ein auf die Bedürfnisse der Arbeiter und ihrer Familien angepasstes Arbeitszeitsystem einführen, das bereits 1875 Arbeitsschichten von 7,5 Stunden Dauer ermöglichte, als sonst noch Arbeitszeiten von 10 und mehr Stunden üblich waren.

Nach dem Tod Ferdinand Heyes übernahm sein Sohn Hermann (1865-1941) die Leitung der Firma mit ebenso starkem sozialem Engagement wie sein Vater. Wesentlicher Verdienst Hermann Heyes war die Gründung des "Europäischen Verbands der Flaschenfabriken", den er 1907 als beachtlichen Erfolg europaweiter Verhandlungen mit Konkurrenzfirmen verbuchen konnte. Ziel war der Kauf der europäischen Patentrechte an der von Michael Joseph Owens 1901 in USA erfundenen ersten vollautomatischen Flaschenblasmaschine, die den Beruf des Glasmachers innerhalb weniger Jahre überflüssig gemacht und zu Massenentlassungen geführt hätte. Um dies zu verhindern, unterwarf Heye die Einführung der Maschine einem Plan, der die Umstellung von der manuellen auf die vollautomatische Flaschenproduktion stufenweise und damit sozialverträglich einführte.


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