Vortrag C2

Die letzte Reise. Bestattungsrituale. Friedhöfe und Erinnerungskultur in Ravensberg

Dipl. Archivarin Bärbel Sunderbrink M.A.

Seit der Durchsetzung des Christentums führte die „letzte Reise“ die Menschen auf die Bestattungsplätze an den Kirchen innerhalb der Städte und Dörfer, und auch in den Gotteshäusern hatten privilegierte Verstorbene ihre letzten Ruhestätten. Der Tod und die Toten waren den Lebenden stets präsent. Dennoch waren nur die Gräber der Privilegierten namentlich gekennzeichnet. Die Masse der Bevölkerung erhielt ein zeichen- und namenloses Grab. Erst im Zeitalter der Reformation gewann die persönliche Erinnerung im Diesseits an Bedeutung und führte zur Verbreitung der heute noch genealogisch interessanten Grabsteine.

Zahlreiche Menschen beteiligten sich an einem Begräbnis: die Nachbarn, die die Leiche herrichteten, das Grab aushoben und den Sarg trugen, Pfarrer, Lehrer und Schulkinder, die den Trauerzug mit ihrem Gesang begleiteten, der Gastwirt, der das Leichenbier ausschenkte. Feste Rituale bestimmten „die letzte Reise“, sie sollten den Übergang zum Leben ohne den Verstorbenen erleichtern. Zunächst in den Städten, später auch auf dem Land übernahmen professionelle Unternehmen die Bestattungen. Hygiene und Zweckmäßigkeit bestimmten zunehmend den Umgang mit den Verstorbenen. Eine zunehmende Bürokratisierung führte insbesondere seit Beginn des 19. Jahrhunderts dazu, dass eine Fülle genealogisch relevanter Schriftquellen entstand.

Erst im 19. Jahrhundert wurden die wohlgeordneten Friedhofsanlagen außerhalb der Ortschaften angelegt. Das Gedenken an die Toten nahm in einer bürgerlich geprägten Gesellschaft neue, emotionale Formen an. Die Friedhöfe des ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhunderts zeugen von dem Versuch, die Erinnerung an die Verstorbenen im familiären Kontext wach zu halten und bieten zahlreiche genealogische Informationen.

Heute erleben wir wieder, dass sich die Kultur im Umgang mit dem Tod verändert. In einer Gesellschaft, in der sich bürgerliche Familienideale auflösen, wird mit neuen Formen der „letzten Reise“ experimentiert. Die gewöhnlichen Bestattungsplätze verlieren ihre Relevanz als Orte des Erinnerns. Ermöglicht durch die Zulassung der Feuerbestattung, nehmen anonyme Begräbnisse rasant zu.

Siehe auch: Exkursion EX9 am Sonntag Vormittag:
Vom Kirchhof zum Friedhof. Führung zur Christlichen Bestattungskultur


Zurück zur Vortragssektion: Friedhofs- und Gräberkultur




Der 61. Deutsche Genealogentag wird
veranstaltet von
ausgerichtet vom
unterstützt vom