Vortrag F6

Der Rat der Stadt Bielefeld vom Mittelalter bis in die Neuzeit unter genealogischen Aspekten

Wolfgang Schindler

Die Stadt Bielefeld wurde 1214 oder kurz zuvor gegründet. Sie wuchs im Mittelalter auf eine Einwohnerzahl von rund 3000; diese Größenordnung wurde erst zum Ende des 18. Jahrhunderts überschritten. 1243 werden zum ersten Mal Ratsherren genannt. Eine nennenswerte Überlieferungsdichte findet sich jedoch erst zum Anfang des 14. Jahrhunderts.
In dem Vortrag werden einige den Rat der Stadt Bielefeld betreffende Fragen beleuchtet. Welche Familien finden sich im Rat, wie stark sind sie versippt? Wie gelangte man in den Rat, aber auch: wie verließ man ihn? Wie war die Rangfolge im Rat und was bedeutete sie konkret?

Den Ausgangspunkt der Untersuchung bilden zwei steinerne Zeugen, die auf zwei der bedeutendsten Bielefelder Bürgermeisterfamilien zurückgehen. An der Außenwand der Altstädter Nikolaikirche befindet sich eine einfache Steintafel, die den Text eines 1944 zerstörten Epitaphs des Bürgermeisters Johann Burggraffe wiedergibt. Der 1590 verstorbene Johann Burggraffe ließ auf seinem Epitaph bekunden, dass ihm kein größeres Unglück in seinem Leben zugestoßen sei, als dass er zum Bürgermeister der Stadt erwählt worden sei. Was veranlasste ihn zu diesem doch eher ungewöhnlichen Ausspruch?
Die Familie Burggraffe stellte mit sechs Bürgermeistern die zweithöchste Anzahl an Bürgermeistern in der Bielefelder Stadtgeschichte, insgesamt im Zeitraum von 1501 bis 1724 elf Rats- und Zwölfherren. Beginnend mit dem zuvor erwähnten Johannes Burggraffe bekleideten fünf Burggraffes in ununterbrochener Folge vom Vater auf den Sohn das Bürgermeisteramt.

Am Nebelswall steht das Bielefelder Ratsgymnasium. Es wurde 1870 unter Einbezug des ehemaligen von Grest’schen Hofes neu erbaut. Mit dem um 1585/1588 erbauten Grest’schen Hof sehen wir ein überaus prächtiges Gebäude der Weserrenaissance vor uns. Der Bauherr war der Bürgermeister Caspar von Grest; das Gebäude zeugt von dem ungewöhnlichen Reichtum der Familie. Die Familie von Grest nahm eine absolute Sonderrolle in Bielefeld ein, sie überragte an Bedeutung deutlich alle anderen Familien. Die Familie bekleidete insgesamt neun Mal von 1317 bis 1597 das Bürgermeisteramt, davon in sieben Generationen ununterbrochen vom Vater auf den Sohn übergehend. Bemerkenswert an der Familie ist auch, dass sie ab der Mitte des 15. Jahrhunderts ihre Ehepartner fast nur noch außerhalb Bielefelds suchte. Es nimmt nicht wunder, dass die von Grest im Jahre 1624 einen kaiserlichen Adelsbrief erwarben und in der Folge landsässig wurden.

Diese Häufung von Ratsämtern in einzelnen Familien war jedoch untypisch. Von der Stadtgründung bis zum Ende des Alten Reiches können 591 Ratsherren, Zwölfherren und Richter aus 342 Familien nachgewiesen werden. 242 Familien waren nur einmal vertreten, 49 zwei Mal, 25 drei Mal, nur 22 Familien zwischen 4 und 9 Mal und ganze vier Familien zwischen 11 und 16 Mal. Wenn man den Blick auf die Bürgermeister verengt, zeigt sich das grundsätzlich gleiche Phänomen, jedoch noch einmal ausgeprägter. Von 65 Bürgermeistern stellten 52 Familien nur je einen, zehn Familien zwei oder drei und nur drei Familien stellten zwischen vier und acht Bürgermeister. In dieses Bild passt, dass nur gerade einmal 17 Familien sich länger als 100 Jahre im Rat halten konnten. Dennoch lassen sich unter den Ratsherren starke verwandtschaftliche Bindungen nachweisen. Wie vielfältiger Art diese Beziehungen waren, wird exemplarisch dargestellt.


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